Wie der Autoindustrie wirklich geholfen werden kann

Opinion piece (Die Zeit)
Sander Tordoir Bluesky, Lucas Guttenberg, Nils Redeker
27 October 2025

 und  forschen bei der Bertelsmann-Stiftung, dem Jaques Delors Zentrum und dem Centre for European Reform zur Zukunft Europas. Hier schreiben sie über ihre gemeinsame Vision für die europäische Autoindustrie.

Das europäische Auto ist in Gefahr. Bürokraten in Brüssel haben ihm den Garaus gemacht und für 2035 das Ende des Verbrennungsmotors angeordnet. Seitdem darbt die europäische Autoindustrie. Es gibt nur einen Weg zurück: Das Verbrenneraus muss gekippt werden. Nur dann lohnt sich der europäische Autobau wieder, und unsere Hersteller fahren in eine strahlende Zukunft.

Diese Geschichte hat einen großen Reiz: Sie führt die Probleme der Autoindustrie auf eine einzelne, politische, umkehrbare Entscheidung zurück. Sie hat auch einen großen Pferdefuß: Sie stimmt hinten und vorn nicht. Denn Europas Autobauer sind nicht unter Druck, weil sie in zehn Jahren keine Verbrenner mehr verkaufen dürfen. Die größte Herausforderung liegt nicht in der Zukunft – sie ist bereits jetzt real. 

Die Welt, für die Europa so erfolgreich Autos baute, hat sich völlig verändert. China war, gerade für deutsche Hersteller, lange Wachstumsgarant. Seit 2022 sind deutsche Autoexporte nach China um 70 Prozent eingebrochen, und das Land exportiert selbst netto sieben Millionen Autos im Jahr – dreimal so viel wie Deutschland in seinen besten Exportweltmeistertagen.

Auch die Deutschen kaufen weniger europäische Autos

Eine Weile konnte die amerikanische Nachfrage das ausgleichen. Seit Trump europäische Autos mit einseitigen Zöllen belegt, fällt auch dieser Markt als Sicherheitsnetz für Europa aus. Und auch in der EU selbst kaufen die Kunden nicht mehr wie früher. Noch immer liegt die Nachfrage nach europäischen Autos im Binnenmarkt 20 Prozent unter dem Vorpandemielevel.

Vor allem die Entwicklung auf dem chinesischen Markt unterstreicht einen grundsätzlichen Wandel: Die Zukunft des Automobils ist elektrisch – nicht, weil die Politik in Berlin oder Brüssel das so will, sondern weil sich das längst rechnet und bald noch stärker rechnen wird. Und während China das letzte Jahrzehnt damit verbracht hat, E-Autos zu perfektionieren und zu "iPhones auf Rädern" zu machen, haben Europas Hersteller dem bisher wenig entgegenzusetzen – und zeigen lieber auf die Politik und ihr Verbrenneraus.

Wo das enden kann, wissen wir: Mitte der 2000er war Deutschland Weltmarktführer für Solarmodule. Heute sind unsere Dächer mit Zellen "Made in China" gepflastert. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass unsere Straßen in 20 Jahren nicht auch voller chinesischer Autos sein könnten. Für das Klima wäre das wohl sogar ein Segen – die Elektrifizierung des Verkehrs käme so vermutlich am schnellsten und billigsten voran. 

Ökonomisch und politisch wäre es allerdings ein Wahnsinn. Die Solarbranche war klein, die Autoindustrie aber ist das industrielle Herz Europas. 13 Millionen Arbeitsplätze hängen an ihr, ein Drittel aller privaten Forschungsausgaben, und noch immer zählt sie zu den produktivsten Branchen auf dem Kontinent. Sollte sie verschwinden, droht ein brutaler Strukturbruch mit unabsehbaren Folgen – auch für die Demokratie.

Deshalb ist es richtig, dass die Politik eingreift. Wenn die chinesische Regierung ihre Hersteller mit allen Mitteln stützt und die USA neue Zollmauern bauen, kann die EU die Hände nicht in den Schoß legen. Zudem werden die mächtigen Gewerkschaften und Verbände der Branche ohnehin dafür sorgen, dass die Politik handelt. Die Frage ist nur, wie.

Europas Autobauer unter regulativen Denkmalschutz zu stellen, wäre die falsche Antwort. Dafür sind E-Autos zu attraktiv, und der Markt wird es regeln – mit dem denkbar schlechtesten Ausgang für die Denkmäler.

Die Politik kann weder dafür sorgen, dass Europas Autobauer bessere Autos bauen, noch Kunden zwingen, sie zu kaufen. Das müssen die Hersteller schon selbst tun. Politik kann allerdings dabei helfen, dass europäische Nachfrage auch bei europäischen Produzenten ankommt: Für jedes Unterstützungsprogramm für den Kauf von E-Autos sollten daher zwei simple Regeln gelten.

Erstens sollte europäisches Steuergeld nur für den Kauf europäischer Produkte eingesetzt werden. Chinesische Hersteller werden zu Hause bereits massiv subventioniert. Europäisches Geld sollte diesen Wettbewerbsnachteil ausgleichen und nicht vergrößern.

Vorbild könnte der französische Ökobonus sein

Zweitens sollten alle Unterstützungsprogramme für den Kauf von E-Autos in der EU denselben Kriterien folgen. Kein Mitgliedsland allein kann die Nachfrage ausreichend ankurbeln. Und wenn alle versuchen, sich gegenseitig Marktanteile abzujagen, verliert am Ende ganz Europa. Zumal der Autosektor wie kaum ein anderer grenzüberschreitend integriert ist.

Vorbild könnte der französische Ökobonus sein. Er vergibt Subventionen auf der Basis von Nachhaltigkeitskriterien wie Produktionsemissionen und Transportwegen. Damit schließt er in China produzierte Autos praktisch aus. Der Vorteil: Ein solches Vorgehen ist im Gegensatz zu direkten "Buy European"-Regeln mit dem internationalen Handelsrecht vereinbar. Für Hersteller aus Partnerländern wie Japan oder Korea könnten EU-Subventionen dennoch offen bleiben, etwa indem Sozial- oder Datenschutzstandards in die Kriterien einfließen.

Der Moment für eine politische Verständigung ist günstig: Die Bundesregierung bastelt gerade an einem neuen Förderprogramm für E-Autos. Auch Frankreich und Italien werden absehbar neue Programme auflegen. Gleichzeitig überarbeitet die EU-Kommission bis zum Jahresende die EU-Regeln für Dienstwagenflotten. Europas Politiker sollten diese Chance nutzen, um der Autoindustrie mit zielgerichteten, koordinierten Programmen den Weg in die Zukunft zu ebnen – statt dem Sektor ein Museum zu errichten, in dem Autos mit Auspuff noch ein paar letzte Ehrenrunden drehen dürfen.