Deutschland gerät durch Chinas Export-Strategie immer stärker unter Druck
Deutschland hat durch die stark steigenden Industrieexporte Chinas weltweit am meisten zu verlieren. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der britischen proeuropäischen Denkfabrik Centre for European Reform, die dem Handelsblatt vorliegt.
...Die Autoren Sander Tordoir und Brad Setser vom Centre for European Reform warnen in ihrer Studie mit dem Titel „Wie Deutschland den zweiten China-Schock überleben kann“: „Millionen von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel.“
Deutschland müsse sich dem wirtschaftlichen Expansionsstreben Chinas daher viel entschiedener widersetzen. „Wenn Deutschland eine rasche Deindustrialisierung mit erheblichen, geografisch konzentrierten Arbeitsplatz- und Produktivitätsverlusten vermeiden will, muss seine neue Regierung dringend ihre Handels-, Industrie- und Finanzpolitik überdenken.“
...Laut der Studie Tordoirs und Setsers stellen Autos „die Speerspitze“ der neuen Industriestrategie Chinas dar. Noch 2020 war China kein Nettoexporteur von Fahrzeugen. Mittlerweile exportiert das Land jährlich fünf Millionen Fahrzeuge mehr, als es importiert.
...Doch nicht nur die Autobranche steht unter Druck. Auch Deutschlands grüne Industrie „sieht sich einer wachsenden Wettbewerbsbedrohung durch die grüne Industriepolitik Chinas ausgesetzt“, schreiben die Autoren.
...Doch trotz dieser Probleme habe „die deutsche Politik die Risiken, denen ihr Wirtschaftsmodell ausgesetzt ist, noch immer nicht erkannt“, heißt es in der Studie des Centre of European Reform. Anstatt die chinesische Industriepolitik „als klare Bedrohung für die industrielle Führungsrolle Deutschlands zu erkennen“, habe die Ampelkoalition noch im Vorjahr versucht, EU-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge zu verhindern.
...Die neue Bundesregierung müsse deshalb die China-Politik grundlegend ändern, fordern die Autoren – auch mit für Deutschland sehr ungewohnten Maßnahmen:
- Deutschland solle seinen bisherigen Widerstand gegen die Prüfung großer Handelsüberschüsse aufgeben. Stattdessen solle sich die Bundesrepublik den USA und anderen G7-Staaten anschließen und den Internationalen Währungsfonds dazu ermutigen, entschieden gegen den hohen chinesischen Handelsüberschuss vorzugehen.
- Deutschland solle europäische Schlüsselsektoren aktiv schützen. „Der weit verbreitete Einsatz von Subventionen durch China schafft reichlich Spielraum für WTO-konforme Zölle, wie sie die EU beispielsweise für Elektrofahrzeuge eingeführt hat.“
- Drittens sollen Deutschland und andere EU-Länder Fördersysteme mit „De-facto- Buy-European-Anforderungen“ ausstatten, um Chinas eigene lokale Auflagen auszugleichen
- Viertens müsse Deutschland bei der Gestaltung einer einheitlichen EUIndustriepolitik eine Führungsrolle übernehmen. So könnten wachsende Zolleinnahmen eine einheitliche EU-Industriepolitik finanzieren.
- Schließlich müsse Deutschland sein Wirtschaftsmodell umstellen. Zwar eröffneten sich für die deutsche Exportwirtschaft auch Chancen, da viele westliche Länder wirtschaftlich von China unabhängiger werden wollen. „Ohne Maßnahmen zur Ankurbelung des inländischen Konsums und der Investitionen wird Deutschland nicht in der Lage sein, sowohl Chinas Überproduktion zu absorbieren als auch die Nachfrage für seine eigene Produktion zu decken.“ So scheine etwa die Kürzung der Subventionen für Elektrofahrzeuge „selbstzerstörerisch“.