Deutschland muss grünes Wachstum schaffen

Opinion piece (Die Zeit)
10 June 2025

Deutschland ist Europas stärkster Standort für grüne Technologien. Doch die schwarz-rote Regierung verspielt diese Chance mit falscher Deregulierung. Sie sollte die grüne Industrie gezielt stärken – und dabei mit Frankreich kooperieren, schreibt der Ökonom Sander Tordoir. Er forscht am Centre for European Reform in Berlin.

Deutschland ist Europas Schlüsselstandort für grüne Technologien. Doch ein großer Teil der politischen Debatte verharrt in antiökologischer Rhetorik und Forderungen nach Deregulierung. Eine Regierung, die gerade mit dem Versprechen angetreten ist, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, riskiert damit, einen Sektor zu vernachlässigen, der zentral für langfristiges Wachstum ist.

Die Vereinfachung grüner Regulierung – etwa beim Lieferkettengesetz, wie von Kanzler Merz gefordert – ist durchaus sinnvoll. Doch wenn daraus ein genereller Deregulierungsdrang wird, der die grüne Transformation bremst, schadet dies Europas führenden Klimatechnologien, die vor allem aus Deutschland kommen.

Klimatechnologie-Exporte machen bereits vier Prozent des deutschen BIP aus – mehr als in anderen G7-Staaten oder in China. Unter den großen Volkswirtschaften weist die Bundesrepublik gemeinsam mit Japan den stärksten komparativen Vorteil bei 200 klimatechnologischen Produkten auf. Zum Vergleich: Gemessen am BIP-Anteil übertreffen Deutschlands Exporte von Klimatechnologien nach Europa und in den Rest der Welt mittlerweile seine Exporte in die USA oder nach China.

Deutschland kann China bei der E-Mobilität noch einholen

Deutschland und die EU sind insbesondere bei klimatechnologischen Industriegütern führend – von Turbinen über Komponenten für Kernzentrifugen bis hin zu energieeffizienten Heiz- und Kühlsystemen. In zentralen Bereichen wie Solarmodulen und Batterien liegen sie jedoch weiterhin hinter China zurück.

Beim Thema Auto ist noch lange nicht alles verloren. Deutschland ist, gemessen am Produktionsstandort, der weltweit zweitgrößte Hersteller von Elektrofahrzeugen. Elektroautos machen inzwischen 25 Prozent der deutschen Autoexporte aus, und dieser Anteil wächst rasant. China liegt mit großem Abstand vorn, aber wenn ein westliches Land realistische Chancen hat, bei E-Autos zu China aufzuschließen, dann ist es Deutschland.

Doch um dieses Ziel im geopolitischen Wettbewerb der beiden größten Volkswirtschaften der Welt zu erreichen, benötigt es aktive politische Unterstützung.

China leidet unter schwacher Binnennachfrage, investiert aber massiv in seine industrielle Kapazität und weitet seine Industrieexporte rasant aus, während es gleichzeitig die Importe zurückfährt. Das entzieht deutschen und europäischen Herstellern sowohl im Inland als auch weltweit Nachfrage.

Chinas Autobauer können mittlerweile fast 50 Millionen Fahrzeuge maximal pro Jahr produzieren – das entspricht mehr als der Hälfte der weltweiten Gesamtnachfrage, während die inländische Nachfrage bei nur rund 25 Millionen liegt. Die Exporte sind bereits auf 6 Millionen Fahrzeuge gestiegen, die Importe stagnieren bei einer Million. China verfügt damit über enorme Überkapazitäten und kann seine Exporte weiter stark ausweiten, um den gesättigten Heimatmarkt zu umgehen. Diese massive Überkapazität ist gefährlich: Ohne eine politische Reaktion riskiert Europa, seine gesamte Autoindustrie zu verlieren.

Mehr in China zu investieren, ist auch keine Lösung: Es liegt nicht im deutschen Interesse, wenn deutsche Unternehmen China zum Zentrum für Design und Produktion aller Luxus-Elektroautos machen. Denn damit würde jene Wertschöpfung ausgehöhlt, die seit Langem das Markenzeichen der deutschen Wirtschaft ist.

Ausgerechnet jetzt, da die Regierung Merz-Klingbeil Europas Verteidigung stärken will, wird die chinesische Überproduktion in manchen Bereichen zu einem direkten Sicherheitsrisiko. China verweigerte etwa im vergangenen Jahr einem US-Drohnenhersteller, Skydio, den Zugang zu Batterien. Das hatte Folgen für die Lieferungen an die Ukraine. Der Aufbau einer heimischen Batterieindustrie ist daher sowohl für das Militär als auch für die Autoindustrie von zentraler Bedeutung.